Im Vordergrund eine männliche Pflanze, im Hintergrund, etwas links, eine weibliche mit bereits erntereifen Samen.

Die Brennnesseln haben eine vielseitige und lange Geschichte. Bevor ihr im vierten und letzten Teil Genaueres über ihre Inhaltsstoffe, Heilwirkungen und Bedeutung als Ritualpflanzen erfährt, heute ein Blick auf die Verwendung im Textilbereich und in der Küche.
Um Brennnesseln auch in der kalten Jahreszeit zur Verfügung zu haben, stelle ich euch Konservierungsmöglichkeiten vor.

Färbepflanze 🟨🟩

Lange Zeit gehörte die Brennnessel zu den Färbekräutern. Wolle kann man mit ihrer Wurzel, nach Vorbeizen mit Alaun, wachsgelb färben.

Mit einer Zinnvorbeize, Kupfernachbeize und einem Ammoniak-Entwicklungsbad erzielen die oberirdischen Teile ein kräftiges Graugrün. Man benötigt etwa 600 Gramm Brennnesseln pro 100 Gramm Wolle. Der Farbton hängt, im Vergleich zu anderen Pflanzen ist das besonders bei Brennnesseln so, vom Zeitpunkt des Pflückens und Färbens ab. Deshalb ist diese Färbetechnik durch die Massenproduktion von Kollektionen in Vergessenheit geraten.

Nachdem viele andere Pflanzen einen gelben oder grünen Farbton ergeben, wird die Brennnessel vermutlich kein „Revival“ erleben, sondern in diesem Bereich ein Nischendasein fristen. Wer gern mit natürlichen Substanzen färbt, hat aber jedenfalls mit der Brennnessel eine weitere Färbepflanze zur Verfügung.

Verwendung als Garn 🧶

Die Fasergewinnung und –verarbeitung aus Brennnesseln soll bis in die Bronzezeit zurückgehen. Als bislang ältester Fund werden Bastfasern, aus den Stängeln der Brennnesseln hergestellt, beschrieben – um rund 30 000 Jahre vor Christi Geburt.
In Europa gibt es Nachweise, dass schon um das 8. Jh. Fischernetze aus Brennnessel-Stängeln, dem sogenannte Nesselhanf, hergestellt wurden. Später auch Tücher und Hemden.

Die Verarbeitung der Nessel gewann vom 12. Jh. an immer mehr an Bedeutung. Vom 15. Jh. an versuchte man an Stelle der Ernte von Wildpflanzen Brennnesselkulturen anzulegen. Anfang des 19. Jh. wurden sie durch den industriellen Anbau der Baumwolle verdrängt. Somit wurde der Markt immer kleiner und geriet zunehmend in Vergessenheit. Nur während des Krieges, als über Deutschland Handelsblockaden verhängt wurden, besann man sich nochmals des alten Garnes und es wurden wieder Millionen Kilogramm Nesselstoff hergestellt.

Willst du Näheres über die Herstellung von Fasern aus der Brennnessel erfahren, dann findest du im kleinen Büchlein „Brennnesseln“ von Ludwig Fischer dazu Interessantes.

Eine Kräuterpädagogik-Kollegin (danke Nicole für den Tipp!) hat vor einigen Wochen einen tollen Workshop von Mechtilde Fintrup in der Alemannenschule über die Brennnessel-Faser besucht. Infos dazu und zu anderen sehr interessanten Pflanzenthemen: https://www.alamannenschule.com; https://www.andas-werkstatt.com/ich-bin/

Die Brennnessel als heilende und nährende Pflanze

Die Brennnessel ist das heimische Superfood Nummer eins. Sie enthält einen hohen Anteil an pflanzlichem Eiweiss. Wir brauchen Eiweiss zum Aufbau unserer Zellen und Energiegewinnung. Ausserdem enthält die Brennnessel alle acht lebensnotwendigen essentiellen Aminosäuren.  Diese sind die Grundbausteine jeder Körperzelle und vieler lebensnotwendiger Körperprozesse.

„Was ihren Nährstoffgehalt angeht, ist die Brennnessel ein wahres Kraftpaket und zugleich eine unserer stärksten Heilpflanzen. Zusammen mit dem Giersch ist sie ein unschlagbares Doppel, wenn es um die Entgiftung und Entsäuerung Ihres Körpers geht.
Ich habe sie in zahlreichen Facetten in meine Ernährung eingebaut, denn neben all ihren positiven Effekten auf die Gesundheit schmeckt sie auch noch fantastisch. Ob mit ihren Trieben, Blättern oder Samen, die Brennnessel leistet das ganze Jahr über einen wertvollen Beitrag zu meiner Ernährung.“
Dr. Markus Strauß
(Biologe, bekannter Wildpflanzen- und Baumexperte, Autor des Buches: „Die Waldapotheke“)

Dieses Zitat lädt uns dazu ein die Brennnessel in verschiedensten Varianten, sei es in Form von Suppen, Aufstrichen, Aufläufen, Säften, Desserts oder in Kombination mit vielen anderen Wildkräutern auf unseren Speiseplan zu bringen. Bei all ihren wertvollen Inhaltsstoffen sollten wir aber nicht ihre harntreibende und entwässernde Wirkung vergessen und sie daher nicht wochenlang täglich zu uns nehmen. Die Dosis macht das Gift! 

Haltbarmachung von Brennnesseln und Verwendung in der Küche

Junge Triebe und Blätter trocknen, indem man sie im Schatten auf Sieben oder  Tüchern auslegt oder in Bündeln umgekehrt aufhängt und trocknen lässt, bis die Blätter rascheln. Dann die Blätter abstreifen.
Ganz, fein gecuttert, gemörsert oder gerieben in Einmachgläsern aufbewahren.

Samentriebe abschneiden, umgekehrt in Papier- oder Stofftüten trocknen. Samen abstreifen und sieben. In dunklen Gläsern oder Kartondosen aufbewahren.

Pflanzenpulver oder Samen in Salatsaucen, Suppen, Smoothies, Saucen und Gemüse geben und kurz mitkochen oder darüber streuen.

Verwendung von Brennnesselsamen

  • Geröstet über Salat streuen
  • Geröstet unter Müsli mischen
  • Als Zutat zu Müsliriegeln oder Energiekugeln verwenden
  • 1 EL geröstet täglich gut zerkaut zur Stärkung 

Tipp

Wer Brennnesseln im Garten hat (oder Stellen in der Natur kennt, wo sie ohnehin wiederholt gemäht werden: Brennnesselblätter und -triebe sollten nach der Blüte nicht mehr geerntet werden. Werden die Pflanzen jedoch knapp über dem Boden geschnitten, treiben sie neu aus und diese jungen Triebe und Blätter können wiederum für die Küche und gesundheitliche Anwendungen verwendet werden.

Eine sehr feine Möglichkeit, die gesunden Brennnesselsamen zu sich zu nehmen, ist sie zu einem leckeren Snack zu verarbeiten:

Brennnessel-Energiebällchen

Ergibt etwa 12 Stück

Hübsch verpackt auch ein nettes, gesundes Mitbringsel

Zutaten

2 EL Brennnessel-Samen

25 g Sonnenblumenkerne

50 g Cashewkerne (Bruch) 

75 g getrocknete Marillen oder Zwetschgen ohne Stein

1 EL (oder bei Bedarf etwas mehr) Mandelmus oder Kokosmus

Zubereitung

  • Brennnessel-Samen in einer trockenen Pfanne rösten, bis sie duften. Achtung – geht rasch!
  • Sonnenblumenkerne und Cashew in einer trockenen Pfanne hell rösten.
  • Marillen oder Zwetschgen klein schneiden.
  • Abgekühlte Kerne, Nüsse und Früchte in einem Blitzhacker o.ä. sehr fein hacken. Mus und Brennnesselsamen dazu geben und nochmals kurz gut durchrühren. Wenn sich die Masse nicht bindet, noch etwas Mus darunter kneten.
  • Aus der Masse Bällchen formen und trocknen.

Die trockenen Kugeln in Papierhülsen setzen und in verschlossenen Dosen verpacken.

Lagerung im Kühlschrank oder trocken bei Zimmertemperatur. 

Viel Spaß beim Nachkochen, gutes Gelingen und genussvolles Verspeisen!

Literaturhinweise und Quellen:

Abschlussarbeit des Lehrgangs 2016-2017 für zertifizierte Kräuterpädagogen am LFI Hohenems „Urtica – Dieses Brennen tut gut – dem Wohlbefinden, der Gesundheit und der Schönheit“ von Anneliese Brunner, Pia Ulmann und Eva Hirschmann

„Die Waldapotheke. Bäume, Sträucher und Wildkräuter, die nähren und heilen“ von Dr. Markus Strauß; Knaur Verlag, erschienen 2017

„Brennnesseln. Ein Portrait von Ludwig Fischer“, Verlag MSB Matthes & Seitz Berlin Verlagsgesellschaft mbH; Naturkunden No32, herausgegeben von Judith Schalansky bei Matthes & Seitz Berlin, Erste Auflage 2017

Über die Brennnessel gibt es schon einige Blogbeiträge von mir.

Möchtest du Informationen vor allem über die Wurzeln, sieh doch im Beitrag von Februar 2021 nach: https://www.kraeutereva.at/wp-admin/post.php?post=1180&action=edit

Informationen über vor allem Brennnesselsamen findest du in den Beiträgen von Oktober 2020 https://www.kraeutereva.at/wp-admin/post.php?post=751&action=edit und Juli 2021 https://www.kraeutereva.at/wp-admin/post.php?post=1718&action=edit

Als Bestandteil der Neun-Kräuter-Suppe findest du die Brennnessel hier: https://www.kraeutereva.at/wp-admin/post.php?post=1288&action=edit; als wichtige Zutat von Wildspinat hier: https://www.kraeutereva.at/wp-admin/post.php?post=1455&action=edit und eine Anleitung für Spinat-Omeletten mit Brennnesseln hier: https://www.kraeutereva.at/wp-admin/post.php?post=1482&action=edit